Ein junger deutscher Künstler, Heinz Kiwitz, übergibt der
Öffentlichkeit folgende Feststellungen:
Die Berliner Kunstausstellung im Haus der Kunst am Königsplatz
wurde von der NSDAP und dem "Reichsbeauftragten für künstlerische
Formgebung", Schweitzer- Mjölnir, als richtungsgebend hingestellt.
Ohne dass man mich befragte oder meine Einwilligung einholte, wurden
dort auch Holzschnitte von mir ausgestellt. Ein Teil der gleichgeschalteten
Berliner Presse widmete mir großen Raum in der "Kunstbetrachtung",
die ja jetzt befehlsmäßig an Stellte der Kritik getreten
ist. Man stellt mich als einen der wichtigsten Künstler des "neuen
Deutschland" hin.
Dazu sei festgestellt: Ich bin im Januar 1937 aus Deutschland emigriert.
Ich wünsche nicht, anerkannt zu werden von jenen die heute in Deutschland
regieren, die die Kunst in Kasernen sperren und von Kommisstiefeln zurechttreten
lassen. In mir bäumt sich alles auf gegen den gewaltsamen Missbrauch
der Kunst, der mit schönen, heiteren und heroischen Bildchen die
Fratze des Krieges verdecken soll.
Wenn die faschistischen Zeitungen gezwungenermaßen zugeben müssen,
dass ich ein volksnaher Künstler bin, so ist auch das nicht als
Lob für mich, sondern als das Eingeständnis der Pleite der
Göbbels'schen Kunstfabrikation zu werten. Denn ich selbst lehne
bewusst und seit jeher jene undeutsche Kunstvernichtung ab, die den
echten Künstler hetzt und außer Landes jagt, jeden Anstreicher
für ein Genie erklärt, wenn er nur lange genug das Parteibuch
in der Tasche hat und vor den Diktatoren Kotau macht. Gerade gegen diese
Vergewaltigung von oben ist als Protest jene wahrhaft große deutsche
Kunst entstanden von Riemenschneider über Schillers Don Carlos
zu Lehmbruck und Barlach. Mein Volksempfinden macht mich den Nolde und
Barlach zugehörig, gegen die das "Schwarze Korps" eine
brutale Hetze führt, deren Werke aus den Galerien entfernt und
deren Ausstellungen von der Gestapo geschlossen wurden, weil sie unbeirrbar
jene Tradition fortführen, der Albrecht Dürer und Matthias
Grünewald den Weg wiesen.
An der Wiege der deutschen Kunst stand ein Bildhauer, Tilmann Riemenschneider,
dessen Herz mit den gejagten rebellierenden Bauern schlug, der dafür
von den reichen Tyrannen so schändlich gefoltert wurde, dass er
bis zum Ende seines Lebens den Meissel nicht mehr führen konnte.
Wilhelm Lehmbruck war ein deutscher Künstler, der als Sozialist
1914 den gleichen Militaristen den Kriegsdienst verweigerte, die heute
der freien Kunst den totalen Krieg erklärt haben.
Guernica, Konzentrationslager und Krieg gegen die Religion - was hat
deutsche Kunst mit diesem Totentanz der menschlichen Kultur anders zu
schaffen, als dass sie die Geissel schwingt gegen diesen Gewaltmarsch
in die Barbarei? In ihrer Parteikartothek suchen sie verzweifelt nach
einem kleinen Talent und können es nicht finden. Sie sind bereit,
jeden Preis zu bezahlen, glauben allen Ernstes Genies können sie
für Geld kaufen, wie sie sich Villen und Autos anschaffen. Wahre
Kunst wächst aus Lebensbejahung, Menschenliebe und fruchtbarer
Entfaltung. Die Kunst geht immer gegen die Tyrannei und mit der Freiheit.
Tod, Hass und Mangel sind die negativen Grundwerte des Faschismus. Sie
haben das Führerprinzip proklamiert und die Gedankenfreiheit ausgerottet,
das Volk erklären sie als unmündig rechtslose "Gefolgschaft",
tributpflichtiger Masse.
Die deutsche Kunst aber wächst aus dem Volke, mit dem Volke, für
das Volk, und gegen den Zwang, die laienhafte Willkür und die Diktatoren.
Der echte Künstler will nur anerkannt werden von dem Deutschland,
das die größten deutschen Künstler ersehnen, dem Deutschland
einer wahren demokratischen Volksrepublik. Denn das bedeutet für
uns Gedankenfreiheit, Schaffensfreiheit, Kunstfreiheit.
Heinz Kiwitz
(Heinz
Kiwitz, in: Pariser Tageszeitung, 2.Jg., 27.8.1937, Nr.440)
Anmerkung:
Die Holzschnitte von Kiwitz wurden entgegen seiner Annahme nicht in
Berlin, sondern in München im Haus der Kunst ausgestellt.
|